Richtungsweisendes BFH-Urteil
Zentrale Entscheidung für Angemessenheitsprüfung bei Verrechnungspreisen
Zwei unserer Mitgliedskanzleien waren 2023 an einem sehr praxisrelevanten Fall vor dem Bundesfinanzhof beteiligt. Gegenstand des Verfahrens war die Einkünfte-Korrektur bei Produktionsverlagerung auf eine Schwestergesellschaft im Ausland.
Ralf Haberle von der Moore Rhein Ruhr GmbH (rechtlicher Teil des Falls) und Dr. Sven Helm von der Moore Treuhand Kurpfalz GmbH (steuerlicher Teil, insbesondere Verrechnungspreise) haben ihre Expertise gebündelt und den gemeinsamen Mandanten erfolgreich vor dem BFH vertreten.
Das zwischenzeitlich veröffentlichte Urteil des BFH in dieser Angelegenheit erging am 9. August 2023. Bei dem Urteil handelt es sich um eine zentrale Entscheidung für die Angemessenheitsprüfung bei Verrechnungspreisen, einen sogenannten leading case.
Der BFH hat in seinem Urteil teils zugunsten, teils entgegen der von unseren beiden Mitgliedsunternehmen im Verfahren vertretenen Position entschieden. Die wesentlichen Ergebnisse des Urteils lauten wie folgt:
1. § 1 Abs. 1 des Außensteuergesetzes (AStG) tritt gegenüber anderen Einkünftekorrekturvorschriften (hier: § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes -KStG-) grundsätzlich zurück und kommt nur dann und insoweit zur Anwendung, als die andere Norm in geringerem Umfang Einkünftekorrekturen anordnet (§ 1 Abs. 1 Satz 3 beziehungsweise 4 AStG).
Leider hat der BFH keine klare Vorgabe für die Klassifizierung von Unternehmen als Routineunternehmen gemacht. Daher wird dies auch weiterhin ein großer Streitpunkt im Umgang mit den deutschen Finanzbehörden (z.B. bei Betriebsprüfungen) sein.
2. Eine Gesamtbetrachtung einzelner Geschäftsvorfälle (hier: Materiallieferungen sowie rückläufige Erwerbe des bearbeiteten Materials) ist möglich, wenn eine Trennung der Vorgänge dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschehens nicht gerecht würde.
Der BFH bestätigt die Anwendbarkeit eines hypothetischen Fremdvergleichs, wenn er sich auf eine der Standardmethoden (im vorliegenden Fall C+ Methode) stützt, verbunden mit einer nachträglichen Plausibilisieren durch die TNMM-Methode.
3. Zur Berücksichtigung von Materialkosten eines Produktionsunternehmens im Rahmen der Kostenaufschlagsmethode, wenn der Auftraggeber die zu bearbeitenden Materialien zum Einstandspreis an das Produktionsunternehmen verkauft und nach Bearbeitung zurückkauft.
Das Urteil bestätigt, wie von den Mitgliedsunternehmen argumentiert, dass Standortvorteile zwischen Geschäftseinheiten aufgeteilt werden können. Auf dieser Basis können im Ausland höhere Margen gerechtfertigt werden.
4. § 1 Abs. 1 Satz 2 der Funktionsverlagerungsverordnung (FVerlV) setzt voraus, dass die Funktion ein organischer Teil eines Unternehmens ist, ohne dass ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinn vorliegen muss. Dies setzt voraus, dass die Produktion für einen Kunden als eigenständige Produktion im Unternehmen und damit als organischer Teil des Unternehmens angesehen werden kann.
Der BFH hat mit großer praktischer Relevanz präzisiert, was Gegenstand einer Funktionsverlagerung sein kann.
5. Der Einbezug von Plankosten ist am ehesten geeignet, der bei der Ermittlung von Verrechnungspreisen anzuwendenden sogenannten ex-ante-Betrachtung (s.a. § 1 Abs. 3 Satz 4 AStG) Rechnung zu tragen.
Der BFH ist in seinem Urteil nicht der Unterscheidung zwischen Lohnfertigung und Auftragsfertigung gefolgt, wie sie von den beiden Mitgliedsunternehmen vertreten wurde.
6. Zur Berücksichtigung von Standortvorteilen ist zunächst der Umfang der Standortvorteile zu bestimmen und anhand der jeweiligen Funktionen, Risiken, eingesetzten Wirtschaftsgüter und realistisch verfügbaren Handlungsalternativen eine Aufteilung vorzunehmen.
Der BFH hat ferner klargestellt, dass die verdeckte Gewinnausschüttung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG einer Gewinnkorrektur nach § 1 Abs. 1 KStG vorgeht und letztere nur insoweit anwendbar ist, als die Berichtigung nach dieser Vorschrift weiter geht als die Berichtigung nach der verdeckten Gewinnausschüttung.
Hier können Sie das Urteil des BFH noch einmal nachlesen (BFH, Urteil v. 9.8.2023, I R 54/19).
Zurück