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BREXIT-Rettungsschirme im deutschen Steuer- und Umwandlungsrecht

Der Entwurf des Brexit-Steuerbegleitgesetzes und das Vierte Gesetz zur Änderung des Umwandlungsgesetzes

1. Hintergrund

Die jüngsten Entwicklungen im Brexit-Verfahren führten zu weiteren Ungewissheiten. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Rechtmäßigkeit eines Widerrufs der Austrittserklärung und der Vertagung des Brexit-Votums im britischen Parlament ist nunmehr auch ein Exit vom Brexit nicht unwahrscheinlich geworden. Planmäßig ist das Vereinigte Königreich (UK) jedenfalls ab dem 30. März 2019 nicht mehr Mitglied in der Europäischen Union.

Gleichwohl sieht das geplante Austrittsabkommen eine Übergangsfrist bis Ende Dezember 2020 vor. In dieser Zeit sollen die EU-Verträge zunächst noch fortgelten. Unabhängig von dem Abschluss etwaiger bilateraler Abkommen mit der EU fällt UK aus steuerlicher Sicht spätestens mit Ablauf der Übergangsphase auf den Status eines Drittlands zurück. Der Verlust des EU-/EWR-Status führt dazu, dass neben den steuerlichen Richtlinien des sekundären Europarechts zugleich zahlreiche Vorschriften des deutschen Steuerrechts keine Anwendung mehr finden werden. Des Weiteren drohen nach geltender Rechtslage allein aufgrund des Brexit erhebliche steuerliche und finanzmarktrechtliche Konsequenzen für bereits zurückliegende Sachverhalte.

Um unangemessene Steuerfolgen trotz Fehlen einer aktiven Handlung des Steuerpflichtigen zu verhindern, hat das Bundesfinanzministerium (BMF) am 09. Oktober 2018 den Referentenentwurf eines Brexit-Steuerbegleitgesetzes (Brexit-StBG) veröffentlicht. Die darin vorgeschlagenen Gesetzesänderungen hat die Bundesregierung in den am 12. Dezember 2018 veröffentlichten Regierungsentwurf aufgenommen und ergänzt. Darüber hinaus droht britischen Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland (insbesondere Limiteds) nach dem Brexit die Behandlung als deutsche Personengesellschaft mit Verlust der Haftungsbeschränkung.

Um den betroffenen Gesellschaften den geordneten Übergang in eine deutsche Rechtsform zu erleichtern, ist das Vierte Gesetz zur Änderung des UmwG (Umwandlungsgesetz) jüngst verabschiedet worden. Dieser Beitrag gibt im Folgenden einen Überblick über die geplanten Neuregelungen.

2. Entstrickungsbesteuerung

Bei der Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens ins Ausland kommt es grundsätzlich zur Realisierung der enthaltenen stillen Reserven mit der Folge der Besteuerung. Erfolgt die Zuordnung des Wirtschaftsguts jedoch zu einer EU-Betriebsstätte, kann nach § 4g EStG (Einkommensteuergesetz) antragsmäßig ein steuerlicher Ausgleichsposten gebildet werden, welcher sodann über fünf Jahre aufzulösen ist. Ein Ausscheiden des betroffenen Wirtschaftsguts aus dem Steuergebiet der EU führt hingegen zur sofortigen gewinnerhöhenden Auflösung. Nach geltendem Recht fällt hierunter zugleich der Brexit. Um diesen Steuernachteil in den Fällen vergangener Überführungen von Wirtschaftsgütern in eine britische Betriebsstätte zu vermeiden, enthält der Entwurf des Brexit-StBG eine Ergänzung des § 4g EStG um einen Absatz 6. Hiernach führt allein der Brexit nicht zu einer sofortigen Auflösung des entstrickungsbedingten Ausgleichspostens. Klarstellend ist nach der geplanten Gesetzesänderung zugleich die Rückführung des Wirtschaftsgutes aus UK in das inländische Betriebsvermögen trotz des Brexit weiterhin steuerneutral möglich.

 3. Einbringungsgewinnbesteuerung

Innerhalb der EU bzw. des EWR können Betriebs- und Anteilseinbringungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag steuerneutral erfolgen. Ein Einbringungsgewinn ist dann nicht zu versteuern. Für bereits vollzogene Einbringungen von Unternehmensteilen oder Anteilen in eine Kapitalgesellschaft mit UK-Bezug führt der Brexit aufgrund des Wegfalls des EU-/EWR-Bezugs jedoch zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns innerhalb der gesetzlichen Sperrfrist von sieben Jahren. Nach dem Gesetzesentwurf ist die Einführung von Absatz 8 in § 22 UmwStG (Umwandlungssteuergesetz) geplant. Demnach führt der Brexit für Einbringungen mit Umwandlungsbeschluss bzw. Einbringungsvertrag vor dem Wirksamwerden des EU-Austritts zu keiner steuerlichen Belastung.

4. Liquidationsbesteuerung

In dem Gesetzesentwurf wird klargestellt, dass die Liquidationsbesteuerung bei Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft in ein Drittland nach § 12 Abs. 3 KStG (Körperschaftsteuergesetz) nicht bereits durch den Brexit ausgelöst wird.

5. Wegzugsbesteuerung

Ist eine natürliche Person zu mindestens einem Prozent an einer Kapitalgesellschaft beteiligt und verlegt sie ihren Wohnsitz, kommt es zur Besteuerung der Beteiligung. Erfolgt der Wegzug in einen EU-/EWR-Staat, kann die Steuer jedoch zinslos gestundet werden. Unter bestimmten Voraussetzungen ist die Stundung hingegen zu widerrufen. Nach der Klarstellung im Gesetzesentwurf des BMF bedarf es hierfür einer tatsächlichen Handlung des Steuerpflichtigen. Der Brexit allein kann demnach nicht zum Widerruf der Steuerstundung führen. Der Regierungsentwurf enthält hierzu eine entsprechende gesetzliche Ergänzung, aus welcher sich die Unschädlichkeit des Brexit explizit ergibt.

 6. Schädliche Verwendung bei „Riester“-Förderung

Außerdem ist eine Ergänzung der §§ 92a, 93 und 95 EStG vorgesehen. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Brexit die Folgen einer schädlichen Verwendung im Rahmen der „Riester“-Förderung in bestimmten „Altfällen“ auslöst.

7. Verzinsung der Ratenzahlung bei unterlassener Ersatzbeschaffung

Wird ein Wirtschaftsgut des Anlagevermögens veräußert und in ein neues Wirtschaftsgut reinvestiert, kann der Veräußerungsgewinn nach § 6b EStG auf das Ersatzwirtschaftsgut übertragen oder eine Rücklage gebildet werden. Dies gilt jedoch nur für Wirtschaftsgüter eines inländischen Betriebsvermögens. Im Falle einer Ersatzbeschaffung in einem EU-/EWR-Staat kann die auf den Veräußerungsgewinn entfallende Steuer antragsmäßig auf fünf Jahre verteilt werden. Unterbleibt die Ersatzinvestition in einem EU-/EWR-Staat ganz oder zum Teil allerdings, sieht § 6b EStG nach der Änderung durch das Jahressteuergesetz 2018 nunmehr eine Verzinsung der Ratenzahlung vor. Zur Abwendung einer Verzinsung in jenen Fällen, in welchen eine künftige Ersatzbeschaffung in UK aufgrund des Brexit nicht mehr in einem EU-/EWR-Staat erfolgen kann, hat die Bundesregierung eine Ergänzung des § 6b EStG in den Gesetzesentwurf aufgenommen.

Marcel Jordan, M.Sc., MOORE STEPHENS Koblenz GmbH

8. Hineinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft

Für britische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland droht mit Wirksamwerden des Brexit der Verlust der Anerkennung als Kapitalgesellschaft. Dies hätte das Gesellschaftsstatut einer deutschen Personengesellschaft mit einer unbeschränkten Gesellschafterhaftung zur Folge. Um den betroffenen Gesellschaften den Weg in eine deutsche Rechtsform zu erleichtern, sieht das jüngst verabschiedete Vierte Gesetz zur Änderung des UmwG die Kodifizierung der Hineinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft vor. An einer solchen Verschmelzung können auch britische Gesellschaften als Übertragerin beteiligt sein, wenn der Verschmelzungsplan vor Wirksamwerden des Brexit notariell beurkundet und die Verschmelzung unverzüglich, jedoch spätestens zwei Jahre nach Wirksamkeit des Brexit zum Handelsregister angemeldet worden ist. Der Gesetzgeber möchte den betroffenen Gesellschaften damit neben den bestehenden Handlungsoptionen die Verschmelzung auf eine KG (Kommanditgesellschaft) mit einer UG (haftungsbeschränkt) als Vollhafterin ermöglichen. Dies solle den Weg in eine deutsche Rechtsform ebnen und zugleich die Haftungsbeschränkung erhalten.

9. Fazit

Der Brexit führt aus steuerlicher Sicht aufgrund des Rückfalls von UK zum Drittstaat zu unangemessenen Konsequenzen. Daher ist die Initiative zur Schaffung eines Brexit-StBG zu begrüßen. Das BMF hat mit dem Referentenentwurf vom 09. Oktober 2018 bereits gesetzliche Anpassungen zur Abwendung von ertragsteuerlichen Folgen vorgeschlagen; im Regierungsentwurf vom 12. Dezember 2018 sind jene Gesetzesänderungen aufgegriffen und darüber hinaus ergänzt worden. Bereits am 29. März 2019 soll das Gesetz in Kraft treten. Um den vom Brexit betroffenen britischen Gesellschaften mit deutschem Verwaltungssitz die Überführung in eine deutsche Rechtsform zu erleichtern, ist des Weiteren eine gesetzliche Regelung für die Hineinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft in das UmwG aufgenommen worden. Dies ist erfreulich, da hiermit ein nationaler Rechtsrahmen außerhalb des kodifizierten Europarechts geschaffen wird. Ob die Neuregelung allerdings mit Blick auf den Brexit dem praktischen Bedürfnis der betroffenen Gesellschaften entspricht, wird von kritischen Stimmen in der Literatur gleichwohl in Frage gestellt.

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